Alles über Tubeless Dichtmilch und die Wissenschaft dahinter

Wenn du Tubeless fährst weißt du, dass Dichtmilch einen viel größeren Unterschied macht als der Pannenschutz des Reifens selbst.
Sie sorgt dafür, dass du weiterrollst, während andere am Straßenrand stehen. Aber nicht jede Dichtmilch ist mit jedem Reifen kompatibel…
Wie funktioniert Dichtmlich? Warum gibt es zig Sorten, von „Race Day“-Versionen bis zu zähflüssigen Alltagsvarianten? Und was steckt eigentlich in diesem weißen Zaubertrank, der winzige Löcher in Sekunden verschließt?
Hier kommt der Deep Dive, den du nie wusstest, dass du ihn brauchst.

Wie Tubeless-Dichtmilch funktioniert

Tubeless-Dichtmilch ist im Prinzip ein flüssiges Polymer-Gemisch, das unter Luftdruck und Bewegung kleine Löcher oder Schnitte im Reifen abdichtet bzw. diese sofort verklebt.
Im Inneren zirkuliert sie ständig, während du fährst. Kommt es zu einem Loch, wird an dieser Stelle etwas Luft herausgedrückt und mit ihr ein paar Tropfen Dichtmilch. Die flüssige Phase verdunstet, während die festen Bestandteile (z.B. Latex, Partikel, Fasern) das Loch verschließen.

Das Ganze passiert in Sekundenbruchteilen, und zwar nur, weil Druck, chemische Reaktion und Partikelgröße perfekt aufeinander abgestimmt sind.

 

Zwei Haupttypen: Naturlatex vs. synthetische Basis

Die wichtigste Unterscheidung ist die Basis:
Naturlatex oder synthetisches Polymer.

Naturlatex-Dichtmittel

Das sind die Klassiker wie Stan’s NoTubes oder Orange Seal.
Sie bestehen aus natürlichem Kautschuklatex, Wasser, ggf. Ammoniak und Stabilisatoren. Wenn Luft austritt, gerinnt das Latex und bildet eine flexible, klebrige Haut über dem Loch.
Das funktioniert schnell und zuverlässig, hat aber ein Problem: Latex trocknet mit der Zeit aus.
Je nach Temperatur und Klima kann das schon nach ein bis vier Monaten passieren. Du merkst es daran, dass im Reifen nur noch ein klebriger Klumpen übrig ist.

Vorteil: super schnelle Abdichtung bei kleineren Löchern.
Nachteil: begrenzte Haltbarkeit und etwas unfreundlich für Alufelgen, weil Ammoniak korrosiv wirken kann.

Synthetische Dichtmittel

Synthetische Polymere sind meist auf Glykol- oder Acrylbasis. Beispiele sind Dichtmilchen von Milkit oder WTB.
Diese Formeln enthalten keine natürlichen Latexproteine, sind chemisch stabiler und trocknen langsamer aus.
Synthetische Varianten sind oft weniger reaktiv und dichten schlechter ab, dafür langlebiger und verträglicher mit CO₂-Kartuschen (Latex verklumpt dabei oft).

Sie sind ideal für Fahrer, die lange Wartungsintervalle wollen oder in heißen Klimazonen fahren.

Vorteil: Relativ langlebig und wartungsarm.
Nachteil: Dichtet größere Löcher schlechter ab.

Dann gibt es noch Dichtmittel wie Silca Ultimate Tubeless Sealant 2.0 die auf eine Mischung von Synthetischen und Naturlatex Polymeren setzen.

Schlechte Erfahrung mit der Muc-Off Dichtmilch. Dieses Tubeless Dichtmittel verklumpte bereits nach unter 4 wochen und war komplett eingetrocknet. keine dichtwirkung.

Die Dichtmilch von Muc-Off zeigte in meinem Test nur begrenzte Wirkung: Kleine 1mm Durchstiche wurden nicht zuverlässig abgedichtet und nach etwa 4 bis 8 Wochen hatte sich die Milch zu einem zähen, gummiartigen Klumpen verwandelt.

Nicht jede Tubeless-Dichtmilch funktioniert mit jedem Reifen…

Weil sich ihre chemischen Bestandteile wie Latex, Ammoniak oder andere Zusätze unterschiedlich mit den Gummimischungen und Beschichtungen der Reifen verhalten. Manche Reifen haben besondere Beschichtungen oder sind innen porös. Wenn die Dichtmilch dort nicht richtig haftet oder zu dünnflüssig ist, sickert sie durch die Poren nach außen und bildet beim Austreten durch den Luftstrom Schaum. Bei anderen Kombinationen werden Löcher schlechter abgedichtet, weil die Viskosität oder Partikelgröße der Milch nicht zur Gummimischung oder Reifenstruktur passt, sie sich nicht richtig verteilt oder zu schnell herausgedrückt wird.

Verschiedene Dichtmilch Sorten niemals mischen

Denn ihre chemischen Zusammensetzungen können unvorhersehbare Reaktionen auslösen, die zu Klumpenbildung führen und die Abdichtungswirkung vollständig zunichtemachen. Im Extremfall beschädigt das Gemisch sogar Reifen oder Felgen durch Korrosion.

Dichtmilch für niedrige und hohe Drücke

Ein Gravelreifen mit 2 Bar verhält sich völlig anders als ein Rennradreifen mit 6 Bar.
Dichtmilch muss auf den jeweiligen Druckbereich abgestimmt sein.

Niederdruck-Dichtmittel (MTB / Gravel)
Diese Formeln sind viskoser, also dickflüssiger, und enthalten oft mehr Feststoffe.
Das ist wichtig, weil der Reifen beim Durchstich stark verformt wird, und die Milch in größeren Mengen durch potentiell größere Öffnungen gedrückt wird. Die zähe Konsistenz hilft, dass sie dort bleibt und sich nicht einfach herausschleudert.

Hochdruck-Dichtmittel (Rennrad)
Hier muss die Flüssigkeit dünnflüssiger sein, damit sie bei hohen Drücken schnell fließt und kleine Poren in Sekunden verschließt.
Ein zu dickes Mittel würde schlicht nicht schnell genug zum Loch gelangen.
Die Herausforderung: bei hohem Druck schießt die Luft förmlich raus, also muss die Reaktion blitzschnell sein. Ist die Dichtmilch zu dünnflüssig spritzt diese einfach aus dem Reifen raus. Daher werden diese mit Füllstoffen kombiniert. Ein Beispiel hierfür ist die Stan's NoTubes Race Day Dichtmilch. Diese enthält feinste Kristalle welche die Löcher verstopfen, mit der Zeit wachsen und so eine stabile Abdichtung garantieren. Der Nachteil dieses Systems ist, dass die Milch relativ schnell eintrocknet und oft gewechselt werden muss.

 

Füllstoffe in Sealants

Die Partikel oder Füllstoffe sind das, was den Unterschied zwischen „dichtet langsam“ und „dichtet sofort“ ausmacht.
Es gibt Dichtmilch ohne Partikel (nur Latex oder Polymer) und solche mit Partikeln, Fasern oder Kristallen.

Dichtmilch ohne Partikel

Diese funktioniert gut bei Mikro-Poren oder sehr kleinen Löchern, hat aber Mühe bei größeren Schnitten. Die Abdichtung dauert länger, und manchmal bleibt ein kleiner Luftverlust zurück.

Beispiel: viele synthetische Alltagsdichtmittel setzen auf Reinpolymere ohne Zusatzstoffe, weil sie länger flüssig bleiben und weniger verklumpen.

Dichtmilch mit Partikeln

Die Partikel wirken wie ein Gerüst, das sich im Loch verkeilt, während die Latexphase drumherum aushärtet.
Es gibt verschiedene Typen:

  • Kristalle (z. B. Stan’s Race Day): bilden stabile, feste Strukturen, dichten schnell, neigen aber zum Verklumpen im Reifeninneren.

  • Carbonfasern (z. B. Silca Ultimate Tubeless Sealant 2.0): extrem leicht, leitfähig und strukturell stabil. Sie verhaken sich im Loch und bilden mit dem Polymer eine Art Mini-Carbonflicken. Das Ergebnis ist eine dauerhafte, belastbare Abdichtung.

  • Textil- oder Zellulosefasern (z.B. Muc-Off): günstiger, aber weniger effektiv.

Haltbarkeit und Wartung

Die Lebensdauer einer Dichtmilch hängt stark vom Klima, Fahrhäufigkeit und Druckniveau ab.
Naturlatex trocknet im Sommer oft nach 3-4 Monaten ein, im Winter kann es 6 Monate halten.
Synthetische Dichtmittel schaffen oft 8 bis 12 Monate, manche sogar länger.

Wenn das Rad lange steht, setzt sich die Flüssigkeit ab oder verdunstet über den Reifen.
Ein guter Indikator ist der Reifenton, wenn du ihn drehst und nichts mehr „gluckert“, ist es Zeit für einen Wechsel.

Abdichtung bei großer Schnitte

Kleine Löcher bis 2 mm sind für fast jede Dichtmilch machbar.
Ab 4 bis 5 mm brauchst du Glück. Und für Löcher ab 7-8 mm Größe sind Kristalle oder Carbonfasern notwendig.
Silca’s System mit solchen Fasern aus Carbon funktioniert hier besonders gut, weil sich die Fasern mit dem Polymer zu einem echten Gewebe verbinden. Das dichtet nicht nur ab, es hält auch mechanisch.

Stan’s Race Day dagegen reagiert blitzschnell (schneller als Silca), aber der Flicken kann bei erneutem Druck nachgeben.
Für Wettkämpfe top, für Langstrecke weniger ideal.

CO₂-Problematik

Viele Dichtmittel verklumpen, wenn du sie mit CO₂-Patronen aufpumpst. Das liegt daran, dass CO₂ beim Entspannen stark abkühlt und Kondenswasser bildet. Das kann Latex sofort gerinnen lassen.

Welche Dichtmilch ist die Beste?

Wenn du regelmäßig fährst, Tubeless-Erfahrung hast und Performance suchst, ist SILCA Ultimate Tubeless Sealant 2.0 aktuell der Benchmark. Sie nutzt Carbonfasern, ist CO₂-stabil, hält locker 8 Monate oder länger flüssig und dichtet auch 7-9 mm Schnitte zuverlässig ab und ist mit fast jedem Reifen kompatibel. Weniger Nachfüllen, auch bei langer Standzeit komplett wartungsarm und sie dichtet auch größere Löcher zuverlässig ab. Meiner Meinung nach ist das aktuell die beste Dichtmilch auf dem Markt fürs Graveln und Bikepacking. Nachteile: Sie ist teuer und die Carbonpartikel dichten so gut ab, dass man sie nur schwer über die Ventile auffüllen kann. Ich empfehle daher die Dichtmilch beim Aufziehen des Reifen über die Flanke einzufüllen. So besteht keine Gefahr dass die Ventile verstopfen (Gut dass sie so langlebig ist und man das nur 1 bis 2 mal im Jahr machen muss.)

Für den Gelegenheitsfahrer ist eine klassische Latexmilch wie Stan’s NoTubes Regular ausreichend. Sie ist kostengünstig und dichtet die meisten kleineren Löcher im Alltag gut ab und hält 3 bis 6 Monate. Die Race-Day Variante ist hingegen, wie der Name schon sagt, für einzelne kurze Events optimiert, da sie bereits nach 2 Wochen eintrocknen kann.

Wer eine eher langlebige Allround Mischung will, greift zu Orange Seal Endurance.

Tipp bei großen Einschnitten:

Nicht direkt weiterfahren. Kleinere Einschnitte von 3 bis 4 mm bekommst du während der Fahrt vermutlich nichtmal mit, da sie in Bruchteilen einer Sekunde direkt lautlos verschlossen werden. Wenn du aber einen sehr großen Einschnitt hast, der sich durch spürbaren Druckverlust oder ein Zischen bemerkbar macht, dann halte kurz an! Unter der Belastung deines Körpergewichts kommt sonst auch die beste Dichtmilch an Ihre Grenzen. Nachdem du abgestiegen bist, positioniere den Reifen so, dass sich das Loch unten befindet. Denn auch die Dichtmilch fließt im Stand langsam nach unten an den tiefsten Punkt. Auf die Art und Weise kann die Dichtmilch am besten arbeiten und das Loch langsam verschließen. Bei extrem großen Löchern kannst du manuell etwas nachhelfen indem du anfangs versuchst das Loch mit deinem Finger durch Draufhalten etwas zu stopfen, damit die anfänglich zu flüssige Dichtmilch nicht in großen Mengen austreten kann. Nach wenigen Minuten sollte der Austritt weniger werden und das Loch wird nach und nach abgedichtet. Warte ruhig 15 min damit alles aushärten kann, bevor du weiter fährst und den Reifen mit Gewicht belastest. Mit etwas Geduld solltest du selbst 10 mm große Einschnitte in den Griff bekommen.

Bestes Tubeless Pannen Notfallset

Fazit

Tubeless-Dichtmilch ist kein Verbrauchsmaterial, das man einfach „reinkippt“.
Sie ist ein hochentwickeltes, chemisches System, das den Unterschied zwischen „Platten oder weiterfahren“ ausmacht.
Je nach Fahrstil, Druck und Einsatzgebiet lohnt sich der Blick auf die Rezeptur, ob Latex, Polymer oder mit Carbonfasern.

Wenn du viel auf Gravel, im Rennen oder auf langen Touren unterwegs bist, dann ist die Silca Ultimate Tubeless Sealant 2.0 derzeit das Maß der Dinge. Sie vereint die Schnelligkeit eines Race Sealants mit der Haltbarkeit einer synthetischen Formel.


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