Bikepacking pur: 470 km und 7000 Hm beim Tuscany Trail 2023
Anfang Juni 2023 stand ich mit meinem bepackten M83 Vagabund an der Startlinie des Tuscany Trail. Fünf Tage Bikepacking durch die Toskana lagen vor mir. 470 Kilometer, 7000 Höhenmeter, weiße Schotterstraßen, alte Dörfer, wechselhaftes Wetter und rund 5000 Gleichgesinnte, die dieselbe Leidenschaft teilen. Der Tuscany Trail ist kein Rennen, sondern ein Abenteuer, das man auf seine ganz eigene Weise erlebt.
Alpenpässe noch voller Schnee im Mai
Ein langer Weg bis zum Start
Bevor es überhaupt losging, hatte ich schon ein ganz eigenes Abenteuer hinter mir. Ich war zuhause im Odenwald gestartet, mit dem Ziel zum Startpunkt nach Donoratico zu fahren. Knapp 2000 Kilometer und rund 30.000 Höhenmeter lagen zwischen mir und dem Meer. Die Route führte quer durch Deutschland, hinein in die Schweiz, aber nicht auf direktem Weg. Stattdessen warteten gesperrte Alpenpässe, Umwege, Sackgassen und tagelanger Regen.
Abkürzung über das Hochgebirge im Wallis
Irgendwann führte kein Weg mehr weiter, also blieb mir nichts anderes übrig, als das Rad auf den Rücken zu nehmen und einen Klettersteig im Hochgebirge zu überwinden. Danach ging es die Alpen hinunter nach Italien und weiter entlang der Küste, über Pisa bis nach Donoratico.
Als ich dort ankam, war ich ehrlich gesagt einfach müde. Italien ist kein Fahrradparadies. Enge Überholmanöver mit über 100 Stundenkilometern, ständiges Hupen und Autofahrer, die einem ohne Zögern die Vorfahrt nehmen, kosten Kraft. Man kann das alles zwar einordnen, aber wenn es im Fünf-Minuten-Takt passiert, über Tage hinweg, dann zehrt es an den Nerven.
Als ich schließlich in Donoratico ankam, zog ein Gewitter auf. Der Himmel öffnete sich und ich war in Sekunden komplett durchnässt. So stand ich tropfend auf dem Parkplatz, als Ben von M83 mich begrüßte. Ein passender Auftakt für das, was kommen sollte.
Das Setup – leicht, funktional und bewährt
Mein M83 Vagabund Pro
Mein Setup war einfach, aber durchdacht. Ich fuhr das M83 Vagabund, ein solides, vielseitiges Gravelbike, das sich über die gesamte Strecke hervorragend geschlagen hat. Nur die Campagnolo Ekar-Schaltung machte am Ende etwas Ärger, doch dazu später mehr.
Ich reiste leicht. Zelt, Schlafsack, Isomatte. Das Nötigste, um draußen zu übernachten, aber nicht mehr. Das spart Gewicht und schafft Freiheit. Wer sich selbst ausrüsten möchte, dem empfehle ich meinen Packlisten Konfigurator. Und wer einen perfekten Reifen sucht sollte sich mein Reifen Finder Tool anschauen. Dort kann man anhand der eigenen Vorlieben, des Geländes und des Fahrstils den besten Gravelreifen finden. Ich selbst war mit den Pirelli Cinturato Gravel M in 45 Millimeter Breite unterwegs. Kein Reifen, der in einer Disziplin heraussticht, aber ein echter Allrounder. Ob Asphalt, Schotter, Matsch oder Trails, er funktioniert. Wer plant, den Tuscany Trail zu fahren, sollte keinesfalls schmaler wählen. Rückblickend würde ich sogar sagen, lieber etwas breiter.
Durch die Toskana – zwischen Strade Bianche und Singletrail
Die Strecke des Tuscany Trail 2023 führte im Uhrzeigersinn von Donoratico über Volterra, San Gimignano, Siena, Castiglione d’Orcia und weiter bis Punta Ala. Die Mischung aus weißen Schotterstraßen, ruppigen Singletrails und kurzen Asphaltpassagen machte das Fahren abwechslungsreich. Oft führte der Weg über Hügel, auf deren Kuppen mittelalterliche Ortschaften thronen. Der Anstieg war jedes Mal schweißtreibend, doch oben wartete fast immer ein Café, ein Espresso oder eine Pasta.
Der Start verlief ruhig. Der Himmel hing noch schwer von den Stürmen der vergangenen Tage, aber bald zeigte sich die Sonne. Dann leuchteten die Hügel in diesem typischen warmen Gelb, das man nur aus der Toskana kennt. Die Landschaft war ein einziges Postkartenmotiv.
Doch so schön es war, die Strecke forderte. Besonders nach den Regenfällen waren viele Abschnitte tief und glitschig. Der Matsch setzte sich in die Reifenprofile, die Räder drehten durch, und wer zu schmal bereift war, hatte kaum Traktion. Teilweise fühlte es sich mehr nach Mountainbiken an als nach Gravel.
Wetterkapriolen und Improvisation
So muss man sich die durchschnittlicher Wetterlage in der Toskana vorstellen. Breite Reifen dringend empfohlen ;)
Das Wetter in der Toskana hat seinen eigenen Kopf. Kurz vor dem Start hatte es gestürmt, die ersten Kilometer waren noch nass, und in manchen Senken stand das Wasser. Dann wieder Sonne, 30 Grad, Staub und Hitze. Die Luft flimmerte, und die weißen Schotterstraßen reflektierten das Licht so stark, dass man am liebsten die Augen geschlossen hätte.
Wer hier fährt, sollte auf alles vorbereitet sein. Regenjacke, Layering-System und wasserdichte Taschen, das sind keine Extras, sondern Pflicht. Meine Cyclite-Taschen haben sich dabei als unverzichtbar erwiesen.
Menschen, Begegnungen und Abende auf dem Campingplatz
Der Tuscany Trail ist offiziell ein „unsupported adventure“, aber eigentlich ist er ein soziales Erlebnis. Rund 5000 Fahrerinnen und Fahrer waren 2023 unterwegs. Man fährt allein, trifft sich immer wieder und erkennt sich auf der Strecke. Man grüßt sich, hilft sich, teilt Snacks und lacht über die absurde Wegführung.
Ich habe unterwegs viele Menschen kennengelernt. Mit Flo und Waxe bin ich später weitere Touren gefahren: In Schottland und Slowenien. Es sind diese Begegnungen, die das Erlebnis prägen.
Die Nächte verbrachten wir meist auf Campingplätzen. Manchmal idyllisch unter Olivenbäumen, manchmal auf überfüllten Wiesen, wo die Zelte so dicht standen, dass kaum eine Briefmarke dazwischen gepasst hätte. Einmal schlugen wir unser Lager in einem Weinberg auf, völlig ruhig, fernab der Straße.
Manchmal findet man einen Zeltplatz auch außerhalb der überfüllten Campingplätze
Kulinarisch zwischen Notlösung und Espresso
Essen unterwegs war ein kleines Abenteuer für sich. Die Versorgungslage war nicht ideal. Die kleinen Restaurants entlang der Strecke waren oft überfüllt, viele hatten kaum noch etwas anzubieten. Ein belegtes Brötchen, ein Teller Pasta, manchmal nur ein Brötchen, das musste reichen.
Meistens lebten wir von Snacks aus Supermärkten. Brot, Obst, Riegel. Nicht das, was man sich unter italienischer Küche vorstellt, aber ausreichend, um weiterzufahren. Dafür war der Kaffee fast überall gut und ein kurzer Halt in einer Bar mit Blick auf ein toskanisches Tal entschädigte für so manches fade Brötchen.
Kleine Pannen und große Gelassenheit
Etwa 20 Kilometer vor dem Ziel verabschiedete sich mein Schaltwerk. Vermutlich hatte ein kleiner Sturz es verbogen, die Kette sprang zwischen Kassette und Speichen. Wir mussten das Hinterrad ausbauen und alles wieder richten. Ganz reparieren ließ sich das Problem nicht. Ich konnte nicht mehr schalten und fuhr den letzten Anstieg quasi im Fixie-Modus. Ein Gang, keine Wahl, einfach treten. In solchen Momenten zeigt sich, was Bikepacking ausmacht. Es geht nicht darum, dass alles perfekt läuft, sondern darum, dass man weiterfährt, egal wie.
Der Blick aufs Meer
Der schönste Moment der Tour war für mich, als wir oberhalb der Klippen von Le Costiere di Scarlino entlangfuhren. Nach Tagen voller Anstiege, Matsch und Sonne lag plötzlich das Meer unter uns. Der Wind kam vom Wasser, der Horizont war klar, und die Strecke schlängelte sich entlang der Küste. Das war einer dieser Augenblicke, in denen man weiß, warum man das alles macht.
Ankommen und durchatmen
Als ich schließlich die Ziellinie erreichte, war das kein großes Spektakel. Kein Applaus, kein Zieltor, kein Lärm. Ich lehnte mein Rad ab, nahm ein kaltes Bier in die Hand und unterhielt mich mit den Leuten, die dort standen. Ein ruhiger Abschluss einer intensiven Woche.
Playlist Tuscany Trail: Anreise, Alpenüberquerung & Bikepacking Event (3 Folgen)
Der Tuscany Trail 2023 war kein Rennen und kein reines Gravel-Event. Er war ein Erlebnis, das alles vereinte: Herausforderung, Landschaft, Gemeinschaft und Unvorhersehbarkeit.
Wer die Toskana erleben will, muss bereit sein, sich auf wechselnde Bedingungen einzulassen. Die Sonne kann gnadenlos sein, der Matsch zäh, die Anstiege steil. Aber genau das macht den Reiz aus.
Für mich war diese Tour nicht nur ein sportliches, sondern auch ein persönliches Abenteuer. Nach den langen Tagen der Anreise und der intensiven Strecke blieb ein Gefühl von Ruhe und Zufriedenheit. Der Tuscany Trail hat mich nicht an meine Grenzen gebracht, aber er hat mir einmal mehr gezeigt, dass Bikepacking mehr ist als Radfahren. Es ist Bewegung, Begegnung und Freiheit.